Was ist betriebliche Altersvorsorge?
Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) ist die zweite Säule des deutschen Rentensystems. Dabei zahlt der Arbeitgeber für seine Beschäftigten in eine zusätzliche Altersversorgung ein. Seit 2002 haben alle Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf betriebliche Altersvorsorge durch Entgeltumwandlung.
Die fünf Durchführungswege der bAV
1. Direktversicherung
Der Arbeitgeber schließt eine Lebensversicherung für den Arbeitnehmer ab.
- Vorteile: Einfache Handhabung, breites Produktangebot
- Nachteile: Höhere Kosten, Insolvenzrisiko beim Arbeitgeber
- Verbreitung: Meist genutzte Form (ca. 60%)
2. Pensionskasse
Rechtlich eigenständige Versorgungseinrichtung eines oder mehrerer Unternehmen.
- Vorteile: Niedrigere Kosten, professionelle Verwaltung
- Nachteile: Weniger Flexibilität bei Arbeitgeberwechsel
- Verbreitung: Vor allem in größeren Unternehmen
3. Pensionsfonds
Moderne Variante mit erweiterten Anlagemöglichkeiten.
- Vorteile: Höhere Renditechancen durch Aktieninvestments
- Nachteile: Höheres Risiko, noch wenig verbreitet
- Verbreitung: Noch geringer Marktanteil
4. Direktzusage (Pensionszusage)
Der Arbeitgeber verpflichtet sich direkt zur Zahlung einer Betriebsrente.
- Vorteile: Steuerliche Vorteile für das Unternehmen
- Nachteile: Abhängigkeit vom Arbeitgeber, PSVaG-Beitrag
- Verbreitung: Hauptsächlich in Großunternehmen
5. Unterstützungskasse
Rechtlich eigenständige Versorgungseinrichtung ohne Rechtsanspruch.
- Vorteile: Flexible Gestaltungsmöglichkeiten
- Nachteile: Komplexe Struktur, hauptsächlich für Führungskräfte
- Verbreitung: Speziallösung für höhere Einkommen
Steuerliche Förderung 2024
Entgeltumwandlung - Steuer- und Sozialabgabenfrei:
- Steuerfreie Beiträge: bis zu 3.408 Euro jährlich (284 Euro monatlich)
- Sozialversicherungsfreie Beiträge: bis zu 2.760 Euro jährlich (230 Euro monatlich)
- Gesamtförderung: maximal 6.168 Euro jährlich bei Kombination
Rechenbeispiel Ersparnis:
Arbeitnehmer mit 4.000 Euro Bruttolohn und 284 Euro monatlicher Entgeltumwandlung:
- Steuerersparnis (25% Steuersatz): 851 Euro jährlich
- Sozialabgaben-Ersparnis: 661 Euro jährlich
- Gesamtersparnis: 1.512 Euro jährlich
- Effektiver Eigenbeitrag: nur 1.896 Euro statt 3.408 Euro
Arbeitgeberzuschuss seit 2019
Seit 2019 sind Arbeitgeber verpflichtet, bei Entgeltumwandlung einen Zuschuss zu zahlen:
- Mindestens 15% der gesparten Sozialversicherungsbeiträge
- Bei 230 Euro Entgeltumwandlung: ca. 35 Euro monatlicher Zuschuss
- Für Altverträge: Zuschuss ab 2022 verpflichtend
Vor- und Nachteile der betrieblichen Altersvorsorge
Vorteile:
- Steuervorteile: Sofortige Steuer- und Sozialabgabenersparnis
- Arbeitgeberzuschuss: Mindestens 15% zusätzlich
- Höhere Nettorente: Günstiger Steuersatz im Alter
- Insolvenzschutz: Schutz bei Arbeitgeber-Insolvenz
- Pfändungsschutz: Schutz vor Gläubigerzugriff
Nachteile:
- Nachgelagerte Besteuerung: Betriebsrente ist voll steuerpflichtig
- Sozialabgaben im Alter: Kranken- und Pflegeversicherung auf Betriebsrente
- Geringere gesetzliche Rente: Durch niedrigere Beitragszahlungen
- Inflationsrisiko: Oft keine automatische Anpassung
Betriebsrente und Sozialabgaben
Ein wichtiger Aspekt, der oft übersehen wird:
- Krankenversicherung: 14,6% + Zusatzbeitrag auf die volle Betriebsrente
- Pflegeversicherung: 3,05% bzw. 3,4% (kinderlos) auf die volle Betriebsrente
- Freibetrag 2024: Nur 169,75 Euro monatlich sozialabgabenfrei
- Insgesamt: Ca. 17,65% - 18% Sozialabgaben auf Betriebsrente
Optimierungsstrategien
1. Richtige Beitragshöhe wählen
- Optimal: 230 Euro monatlich (sozialversicherungsfreie Grenze)
- Bei hohem Einkommen: bis zu 284 Euro zusätzlich steuerfrei
- Nicht übertreiben: Balance zur privaten Vorsorge halten
2. Produktauswahl optimieren
- Kosten minimieren: ETF-basierte Lösungen bevorzugen
- Flexibilität sichern: Übertragbarkeit bei Arbeitgeberwechsel
- Garantien hinterfragen: Beitragsgarantie kann Rendite begrenzen
3. Steueroptimierung
- Heute vs. später: Hoher Steuersatz heute, niedriger im Alter
- Freibetrag nutzen: Grundfreibetrag im Alter oft nicht ausgeschöpft
- Kombinationen prüfen: bAV + private Vorsorge optimal mischen
Betriebliche Altersvorsorge bei Arbeitgeberwechsel
Ihre Optionen:
- Übertragung: Vertrag zum neuen Arbeitgeber mitnehmen
- Beitragsfrei stellen: Vertrag ruhen lassen
- Privat weiterführen: Eigene Beitragszahlung (meist teurer)
- Auszahlung: Nur bei geringen Beträgen unter 1% der Beitragsbemessungsgrenze
Unverfallbarkeit - Ihre Ansprüche:
- Eigene Beiträge: Sofort unverfallbar
- Arbeitgeberbeiträge: Nach 3 Jahren Betriebszugehörigkeit
- Bei Jobwechsel: Anwartschaft bleibt bestehen
Auszahlung der Betriebsrente
Rentenbeginn:
- Regulär: Mit Erreichen der Regelaltersgrenze
- Vorzeitig: Oft ab 62 Jahren mit Abschlägen möglich
- Flexibel: Teilrente bei Teilzeitarbeit
Auszahlungsformen:
- Lebenslange Rente: Sicherheit, aber Inflationsrisiko
- Einmalkapital: Bis zu 30% als Kapital, Rest als Rente
- Kombinationen: Flexible Gestaltung möglich
Häufige Fehler vermeiden
Typische Fallstricke:
- Zu hohe Kosten: Produkte mit über 2% Verwaltungskosten meiden
- Falsche Produktwahl: Garantieprodukte bei langer Laufzeit
- Fehlende Flexibilität: Unübertragbare Verträge
- Überschätzung der Förderung: Sozialabgaben im Alter vergessen
- Einseitige Vorsorge: Nur auf bAV setzen
Zukunft der betrieblichen Altersvorsorge
Geplante Reformen und Trends:
- Nahles-Rente: Reine Beitragszusage mit weniger Garantien
- Digitalisierung: Online-Verwaltung und Apps
- ESG-Investments: Nachhaltige Geldanlage wird Standard
- Portabilität: Einfacherer Wechsel zwischen Arbeitgebern
Entscheidungshilfe: bAV ja oder nein?
bAV lohnt sich für Sie, wenn:
- Sie aktuell einen hohen Steuersatz haben (ab 30%)
- Ihr Arbeitgeber einen attraktiven Zuschuss zahlt
- Sie lange im Unternehmen bleiben werden
- Sie ein kostengünstiges Produkt wählen können
- Sie bereits andere Vorsorgeformen nutzen
Vorsicht ist geboten, wenn:
- Sie häufig den Arbeitgeber wechseln
- Das angebotene Produkt sehr hohe Kosten hat
- Sie aktuell einen niedrigen Steuersatz haben
- Ihre gesetzliche Rente sehr niedrig wäre
Unser Fazit
Die betriebliche Altersvorsorge kann ein wichtiger Baustein Ihrer Altersvorsorge sein - aber sie ist kein Allheilmittel. Die Attraktivität hängt stark von:
- Ihrer individuellen Steuer- und Einkommenssituation
- Der Qualität des angebotenen Produkts
- Der Höhe des Arbeitgeberzuschusses
- Ihrer Arbeitsplatzstabilität
Wichtig ist eine ausgewogene Mischung verschiedener Vorsorgeformen. Die bAV sollte maximal 30-40% Ihrer gesamten Altersvorsorge ausmachen.
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